Brandverletzungen bei Kindern

Die verhängnisvolle Sekunde

„Paulinchen war allein zu Haus, die Eltern waren beide aus. Als sie nun durchs Zimmer sprang, mit leichtem Mut und Sing und Sang, da sah sie plötzlich vor sich stehn: ein Feuerzeug, nett anzusehn.“ Der Frankfurter Arzt und Psychologe Heinrich Hoffmann hat bereits 1844 seinen kleinen Sohn in seinem heute viel kritisierten Buch „Der Struwwelpeter“ sehr drastisch vor den schrecklichen Folgen von Feuer gewarnt. Doch allen Warnungen zum Trotz: Die meisten Verbrennungsunfälle passieren immer noch im häuslichen Umfeld und bei vollem Bewusstsein – ein Trauma bleibt da nicht aus. Die Behandlung der körperlichen und seelischen Schäden kann Monate, manchmal sogar Jahre dauern. 

Verbrühungen und Verbrennungen

Nicht immer ist es Feuer, das Verbrennungen verursacht. Sehr viel öfter sind es heiße Flüssigkeiten. Im Durchschnitt sind es zwei Drittel Verbrühungen, ein Drittel Verbrennungen. Laut dem Jahresbericht der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin sind 54 Prozent aller Kinder mit schweren Verbrühungen unter einem Jahr alt, der Altersgipfel liegt zwischen einem und drei Jahren. Pro Jahr werden etwa 30 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland in Arztpraxen behandelt, 12 000 stationär – einige davon im Klinikum Nürnberg, das auf brandverletzte Kinder spezialisiert ist. In der Kinderchirurgie des Klinikums Nürnberg, das mit dem Gütesiegel „spezialisierte Klinik für brandverletzte Kinder“ ausgezeichnet ist, steht die kindgerechte Behandlung im Vordergrund: schmerzhafte Verbandswechsel nur in Narkose, interdisziplinäre Behandlung auch im therapeutischen Bereich oder Laserbehandlung der Narben, das sind nur wenige Stichpunkte. 

Unfälle zuhause

Die meisten Unfälle dieser Art passieren im häuslichen Umfeld. Das Badewasser ist zu heiß, das Kind möchte aus der Tasse der Eltern trinken, zieht am Stromkabel des Wasserkochers oder holt einen Topf mit heißer Suppe vom Herd. Auch Misshandlungen sind nicht immer auszuschließen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen liegt die Ursache häufig beim sorglosen Umgang mit Feuer und brennbaren Flüssigkeiten, aber auch Strom- und Grillunfälle sind hier immer wieder zu verzeichnen. Die Winterzeit birgt – je nach Altersgruppe – zusätzliche Gefahren, wie Kerzen, offenes Feuer im Kamin, heiße Schutzplatten von Schwedenöfen oder Silvesterböller. 

Erste Hilfe bei Verbrennungen

„Sofortige Rettung aus der Gefahrenstelle ist wichtig“, erklärt Dr. Birgit Hülße, Oberärztin an der Klinik für Kinderchirurgie im Südklinikum. „Die Kinder haben stärkste Schmerzen. Das oberste Ziel ist erst einmal die Schmerztherapie. Abhängig von der Region und der Ausdehnung sollten die verletzten Areale mit handwarmem Wasser gekühlt werden.“ Sie warnt ausdrücklich davor, Hausmittel wie Mehl, Honig oder Puder zu verwenden. „Stattdessen sollten Sie, sobald sich Blasen zeigen, den Arzt aufsuchen und auch nicht zögern, den Krankenwagen zu rufen. Hier kann man dem Kind schnell helfen. Und Sie müssen auch bedenken: Hat sich Ihr Kind verbrüht oder verbrannt, dann wird es mit ziemlicher Sicherheit sehr stark weinen. Dann Auto zu fahren, wäre für alle Beteiligten zusätzlich gefährlich.“  

Behandlung von Verbrennungen

Die Verbrennungstiefe teilt man in vier verschiedene Grade ein (siehe unten). Insbesondere bei Verbrühungen dauert es mehrere Tage, bis feststeht, wie tief die Verletzung wirklich ist. Erst dann wird über die endgültige Behandlung entschieden. In der Regel wird die Wunde nach ausgiebiger Säuberung zunächst mit einer vorübergehenden Deckung versorgt. Ist die Verletzung tiefer, muss eine Hauttransplantation vorgenommen werden. Wenn die Verletzungen über Gelenken liegen, kommen im Anschluss unter Umständen physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen hinzu, damit zum Beispiel Ellenbogen oder Knie wieder vollständig genutzt werden können und hier keine langfristigen Bewegungseinschränkungen bleiben. Bei ausgeprägter Narbenbildung kann es auch nach Jahren noch sinnvoll sein, die verletzten Areale mit einer Laserbehandlung zu therapieren und so eine Abschwächung der Beschwerden herbeizuführen. 

Unfall als Trauma

Hat sich das Kind schwer verbrannt, dann ist oft die ganze Familie traumatisiert, nicht selten steht die Schuldfrage im Raum. Hier kann es sehr wichtig sein, psychologische Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, um zu verstehen, dass Schuldgefühle oder Schuldzuweisungen zu nichts führen. Stattdessen ist es wichtig, das Trauma aufzuarbeiten und für die Zukunft vorzusorgen. 
 

Schutz vor Verbrennungen

Wie viel Schutz hier bereits ein Herdschutzgitter bringt, zeigt ein Besuch in der „Riesenküche“, die der klinikinterne Verein Klabautermann e. V. immer wieder präsentiert, zuletzt auf der Consumenta in Nürnberg. Denn es ist wirklich verlockend, wenn der Pfannenstiel über die Herdkante schaut. „Der Erwachsene nimmt hier die Perspektive eines Kleinkindes ein“, so die Medizinerin, „und spürt diesen Impuls, hochzugreifen oder sich hochzuziehen.“ So ermöglicht die Riesenküche ein gesteigertes Bewusstsein dafür, dass die Küche der gefährlichste Ort im Haus ist.
Experten schätzen, dass sich 60 Prozent aller thermischen Unfälle durch Aufklärung vermeiden ließen. Paulinchen e.V., ein Verein, der Familien mit brandverletzten Kindern begleitet, veranstaltet daher jedes Jahr im Dezember den Tag des brandverletzten Kindes. Das Motto 2023 ist „Brandheiß! Brandgefährlich! Brandverletzt!“. Hier wird über die schwerwiegenden Folgen von Verbrennungen und Verbrühungen aufgeklärt, über Ursachen und Erste-Hilfe-Maßnahmen informiert und es werden neue Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Text: Petra Häfner

 

Einteilung der Verbrennungstiefe

Verbrennungen 1. Grades: 
Solche Verbrennungen heilen nach wenigen Tagen selbst ab. Die Haut ist rot und geschwollen, die Stelle schmerzt sehr. Ein Sonnenbrand ist in der Regel eine Verbrennung ersten Grades.  

Verbrennungen 2. Grades:
Blasenbildung mit zunächst feuchter Wunde. Die Heilung erfolgt meist innerhalb von wenigen Wochen. Eine Narbenbildung ist unwahrscheinlich. 

Verbrennungen 3. Grades: 
Die Haut sieht ledrig aus und hat eine grau-weiße Färbung, der Wundgrund ist trocken, alle Hautschichten sind bis unten hin zerstört. Es werden mit Sicherheit Narben bleiben. 

Verbrennungen 4. Grades: 
Die Haut ist verkohlt, der Betroffene fühlt keine Schmerzen mehr. Alle Hautschichten und die darunter liegenden Muskeln, Faszien und Knochen sind betroffen, der Schaden ist irreversibel.

Weitere Artikel