Das Kuscheltier

Viel mehr als nur Stoff

Das wohl berühmteste Schmusetuch der Welt ist das des kleinen Linus von den Peanuts. Für ihn ist seine Schmusedecke „eine Nerventablette aus Wollstoff“. Es gibt nichts, was er ohne sie bewältigen könnte oder wollte – und dabei ist es dem besten Freund von Charlie Brown völlig egal, ob das seine Schwester Lucy auf die Palme treibt. „Security blanket“ hat der Comiczeichner Charles M. Schulz das schmuddelige Ding genannt: Sicherheitsdecke. Der Verlust eines solchen Übergangsobjektes kann dramatisch sein.

Das Kuscheltuch als Sicherheitsdecke

Schon Säuglinge halten sich gerne beim Einschlafen an einem Tuch fest, am liebsten dann, wenn es wie Mama riecht. Irgendwann, meist schon zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat, wird dieses „Übergangsobjekt“, wie es der amerikanische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott bezeichnet hat, konkret. Es wird nahezu lebenswichtig, hilft gegen Trennungsangst und beruhigt, es vermittelt Geborgenheit, Sicherheit und Halt. John Bowlby, der „Vater der Bindungstheorie“, nennt es einen „Mutterersatz“. Ein Persönlichkeitsbooster, der schon einem Baby bei der Erkenntnis hilft, dass es ein Ich und ein Du gibt. Und dass das Du bisweilen mal aus dem Gesichtsfeld verschwindet.  

Geliebter Begleiter

Schmuddelig, grau, abgewetzt, zerrissen und nicht selten einäugig – Kuschelobjekte sind oft alles andere als ansehnlich. Sie müssen so sein, brauchen diesen bestimmten Geruch, von dem eine Nase voll unglaublich tröstend sein kann. Waschen wird alleine schon deswegen kritisch – von der langen Abwesenheit während der Trocknungsphase mal ganz abgesehen. Am besten ist es, das Kind an dem Vorgang zu beteiligen und zum Beispiel die beiden gemeinsam in die Wanne zu setzen oder zusammen dabei zuzusehen, wie das Kuscheltier eine Runde im Kurzprogramm des Waschmaschinenkarussells fährt. Kleine Risse oder offene Nähte lassen sich noch ganz gut flicken, ist das Kuscheltier stärker zerliebt, dann gibt es in vielen Städten, so wie zum Beispiel in Fürth, eine Plüschtierklinik, die schnelle Hilfe verspricht.

Wo ist mein Kuscheltier?

Nicht selten ist das heißgeliebte Kuscheltier übrigens keineswegs die Ökovariante aus dem Bioladen, sondern irgendein knallbuntes Werbegeschenk. Das man dann, wenn es doch mal verloren gehen sollte, auch nirgends wieder herbekommt. Doch egal, welchen Gegenstand das Kind sich erwählt hat, es wird seine Wahl nicht rückgängig machen, auch dann nicht, wenn Sie noch so gute Argumente haben. Das Kuschelobjekt heimlich auszutauschen oder es gar wegzunehmen, das wäre grausam, fördert Verlustängste, stört das Vertrauen und zieht dem Kind regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Mit  Erziehung oder Konsequenz hat so etwas gar nichts zu tun. Besser ist es, sobald man merkt, dass es dieses eine Teil sein wird, das zu akzeptieren und so schnell wie möglich ein zweites davon zu besorgen und die beiden im Wechsel einzusetzen. Um gerüstet zu sein für einen eventuellen Verlust. Wobei man hier schon kreativ sein muss bei der Geschichte außenherum – denn das Kind wird trotzdem merken, dass etwas faul ist. Ist das Kuschelobjekt wirklich unwiederbringlich weg, dann löst das echte, heftige Trauer aus, die man mit den Kleinen durchstehen und keinesfalls runterspielen sollte. Denn immerhin – so der Psychoanalytiker Tilman Habermas in seinem Buch „Geliebte Dinge“ – spielen persönliche Gegenstände eine große Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Identität. Und bei ihrem Verlust, was man gut an Demenzkranken beobachten kann.   

Für immer Nummer eins?

Im Alter von etwa fünf, sechs Jahren verlieren übrigens die meisten Kinder das Interesse an ihrem Kuschelwesen, sagen ihm oft vergleichsweise sang- und klanglos Adieu. Doch auch dann gilt die Devise: lieber mal aufheben. Denn zum einen kann es immer wieder mal Momente geben, in denen das Kuscheldings wieder gefragt ist, und zum anderen ist es eine schöne Erinnerung fürs Leben. Das kleine weichgeliebte Etwas, das einem so sehr dabei geholfen hat, groß und unabhängig zu werden.

Text von Simone Blaß

kuscheltier-oase.de  
Die Kuscheltier-Oase versucht zu helfen, wenn das Kuscheltier verloren gegangen ist. Hier wurde im Laufe der letzten Jahre eine immense Sammlung an Kuscheltieren aufgebaut, und wenn man Glück hat, wird man fündig. Der Flughafen in Glasgow hat auf YouTube mit den „Lost Teddies at Glasgow Bearport“ (YouTube) allen dort verlorenen Kuscheltieren die Möglichkeit gegeben, wieder nach Hause zu finden. Absolut nachahmenswert!

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