Die Geburt

Wir klären Fragen, Mythen und Ängste

So groß das Wunder der Geburt ist, so vielfältig sind auch die Unsicherheiten, mit denen sich werdende Mütter und auch Väter vor der Entbindung konfrontiert sehen. PDA oder nicht, Wunschkaiserschnitt oder natürliche Entbindung, und ist Vierfüßlerstand wirklich die bessere Rückenlage? Wir haben mit Dr. Valentin Klant vom Krankenhaus Lauf der Kliniken Nürnberger Land gesprochen und ihm einige dieser Fragen gestellt.

Geburtshilfe scheint fast eine Glaubensfrage zu sein. Was ist Ihre eigene Philosophie?
Unser Ziel ist es, dass die Frauen so natürlich wie möglich entbinden können. So sind bei uns Wassergeburten möglich, Entbindung im Stehen, im Vierfüßlerstand, ganz klassisch in Rücken- oder Seitenlage oder mit Hilfe eines Hockers. Wir wollen, dass die Frau die Geburt so erlebt, wie sie das gut findet. Das hat für uns oberste Priorität. Weil wir eine kleine Klinik sind, können wir den Frauen auch meistens eine Eins-zu-eins-Betreuung bieten, in großen Kliniken müssen die Hebammen oft mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen. Nach der Geburt bieten wir Familienzimmer an, so dass die Eltern und das Neugeborene sich gemeinsam in den ersten Stunden in Ruhe kennenlernen können.

 

Sie bieten den Patientinnen auch Akupunktur und Homöopathie an. Wie geht das denn mit der schulmedizinischen Sicht einer Klinik zusammen?
Viele Mediziner lehnen das ab, ich bin aber davon überzeugt und habe damit gute Erfahrungen gemacht. Besonders bei der Geburtsvorbereitung und der Vor- und Nachsorge kommen Akupunktur und Homöopathie oft zum Einsatz. Zum Beispiel wenn ein Kind in Beckenendlage liegt und sich für die Geburt drehen muss, versuchen unsere Hebammen das mit Akupunktur. Auch während der Geburt ist es möglich, homöopathische Mittel einzunehmen.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang dann von Geburtshäusern, wo nur Hebammen und keine Ärzte bei der Geburt dabei sind?
Wenn es sich nicht um eine Risikogeburt handelt, dann ist das eine gute Sache, und auch, wenn die Geburt normal läuft. Bei auftretenden Problemen sollte die Hebamme die Frau zügig in die Klinik bringen. Eine erfahrene Hebamme sieht das rechtzeitig, aber manchmal wird zu lange gewartet. Es ist leider auch bei uns schon vorgekommen, dass wir solche Fälle bekommen haben, die dann manchmal auch mit einem Notkaiserschnitt enden.

Zum Glück gibt es diese Möglichkeit, wenn es nötig ist, aber in den letzten Jahren gab es auch einen Trend zum Wunschkaiserschnitt mit Termin. Wie sehen Sie das? Der Kaiserschnitt hat nicht den besten Ruf. Kinder sollen zum Beispiel allergieanfälliger sein.
Ich akzeptiere das, auch wenn eine normale Geburt das Ziel sein soll. Oft liegt eine große Angst vor der Geburt vor, oder die Angst, dass eine Geburt schädlich für den Beckenboden ist. Jede Schwangerschaft kann allerdings schon allein den Beckenboden belasten. Es gibt aber tatsächlich Studien, die zeigen, dass Kaiserschnittkinder allergieanfälliger sind oder Anpassungsschwierigkeiten haben. Diese Studien sind jetzt möglich, weil immer mehr Kinder mit Kaiserschnitt zur Welt kommen, in Deutschland heute rund 30 Prozent, früher waren es 15 bis 20 Prozent. Das liegt natürlich am Wunschkaiserschnitt, und auch daran, dass man früher bei einer schwierigen Geburt länger gewartet hat, was auch Ursache für Geburtsschäden war.

Es gibt auch Trends in die ganz andere Richtung. Besonders auf YouTube findet man immer wieder Videos, in denen Frauen die Alleingeburt propagieren. Sie gehen in den Wald oder ins Meer und bekommen dort ihre Kinder, ohne Hebamme oder jegliche medizinische Hilfe. Was denken Sie darüber?
Grundsätzlich, wenn alles gut läuft und die Frau sich auskennt, ist das ihre Entscheidung. Aber es gibt Risiken, die man auch bei einer normalen Lage des Kindes nicht voraussehen kann. Wenn sich zum Beispiel die Plazenta nicht ablöst und dann eine starke Blutung eintritt. Das ist mit das höchste Risiko nach der Geburt, das vielen Frauen früher das Leben gekostet hat.

Wie kann man sich denn die etwas außergewöhnliche Entbindungsform zum Beispiel einer Wassergeburt vorstellen?
Dank moderner Geräte, die die Herzfrequenz des Kindes auch ohne Berührung messen, ist diese Entbindungsform auch nicht gefährlicher als andere. Für das Kind ist es mit Sicherheit sehr angenehm, im warmen Wasser der Gebärwanne anzukommen. Eine Gefahr, dass es Wasser schluckt, besteht auch nicht, denn Babys haben in den ersten Lebensmonaten einen Atemschutzreflex, so dass sie unter Wasser nicht einatmen. Das warme Wasser lindert den Schmerz und hilft bei der Entspannung. Dadurch dehnt sich meist der Damm besser, weshalb es bei Wassergeburten weniger Dammrisse gibt.

Apropos Dammriss. Es wird ja diskutiert, was besser ist: den Damm reißen zu lassen, oder gleich zu schneiden.
Normalerweise wartet man auf einen Dammriss, da dabei, anders als bei einem Schnitt, nicht alle Muskelschichten durchtrennt werden. Aber es gibt Situationen, da setzt man besser einen Schnitt. Etwa wenn der Kopf so groß ist, dass die Gefahr besteht, dass der Damm zu weit einreißt, bis zum Darm, und dadurch eine größere Verletzung entsteht. Auch wenn der Kopf des Kindes recht klein ist und es nicht schafft, den Damm weit genug zu dehnen, oder wenn das Kind mit der Saugglocke geholt werden muss, ist oft ein Schnitt nötig.

In diesem Zusammenhang liest man manchmal vom Ehegattenstich. Also, dass die Vagina ein Stück weiter zugenäht wird, als sie zuvor war, um dem Gatten ein schöneres Erlebnis beim Geschlechtsverkehr zu bescheren. Das soll vor allem früher Praxis gewesen sein.
Davon habe ich noch nie gehört. Das Ziel sollte bei einem Dammriss oder Dammschnitt sein, den natürlichen Zustand wiederherzustellen. Es gibt natürlich Fälle, wo falsch genäht wurde. Da muss dann manchmal im Nachhinein korrigiert werden, aber das kommt selten vor.

Räumen wir mit noch einem weiteren Mythos auf. Die PDA (Periduralanästhesie), die bei der Geburt den Schmerz nimmt, ist durchaus umstritten. Im schlimmsten Fall kann bei der Anästhesie das Rückenmark verletzt werden, manche Frauen fürchten, dass sie dann gar kein Gefühl mehr haben und sich nicht mehr bewegen können. Wie ist das?
Dieses Risiko gibt es nach wie vor, dafür gibt es aber erfahrene Anästhesisten. Zudem hat sich die PDA auch weiterentwickelt, sie nimmt im Grunde nur den Schmerz weg, auch das Gefühl ist natürlich nicht mehr so da, aber anders als früher kann sich die Frau immer noch bewegen, und so sind auch alle Geburtspositionen mit PDA möglich. Zudem kann die Frau über eine Pumpe das Schmerzmittel selbst dosieren.

Es gibt Frauen, die berichten, dass sie bei der Geburt Gewalt erfahren haben. So eine Geburt ist eine schwierige Sache, manchmal muss es schnell gehen. Wie kann man so etwas dennoch gut gestalten?
Ich habe so etwas während eines Praktikums in den 1990er-Jahren in Israel erlebt. Da gab es Hebammen, die die Frauen geschlagen haben. Das war für mich unerträglich. In Deutschland habe ich das zum Glück nie erlebt. Jede Frau hat ein anderes Schmerzempfinden, die eine sagt, es geht noch, die andere nicht. Wir fragen die Frau immer, ob sie einverstanden ist, etwa, wenn man auf den Bauch drücken muss, und hören auch sofort auf, wenn es für sie nicht mehr geht.

Was macht für Sie eine gute Geburtshilfe aus?
Eine gute Geburtshilfe ist für mich, wenn man den natürlichen Prozess geschehen lässt und unterstützt, so dass man nicht eingreifen muss. Wichtig ist für mich, dass die Wünsche der Eltern weitgehend erfüllt werden und darauf eingegangen wird. Es gibt Kollegen, die operieren lieber, für die ist Geburtshilfe nur eine lästige Pflicht, aber hier in Lauf sind wir Ärzte, unsere Hebammen und Krankenschwestern alle mit Begeisterung dabei.

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