Faszination Fichtelgebirge

Eine Liebeserklärung
Fichtelgebirge

„Woher kommst du?“ Diese Frage höre ich als zugezogene Nürnbergerin oft. Wahrscheinlich, weil ich aufgrund meines fehlenden Dialekts schwer zuzuordnen bin. Meine Antwort: Aus dem Fichtelgebirge. Genauer gesagt: Wunsiedel. Daraufhin folgen gewöhnlich zwei Reaktionen. Die erste: Ein fragender Blick, gefolgt von „Aha, und wo ist das? Kenn’ ich ja gar nicht!“ Oder die zweite: Kein fragender Blick, dafür eine Gegenfrage, die ich wirklich lästig finde: „Ach, Wunsiedel ist doch die Stadt, wo immer dieser Rudolf-Heß-Gedenkmarsch stattgefunden hat, oder?“

Fichtelgebirge rockt!

Beide Reaktionen lösen in mir immer Unverständnis aus. Warum kennt diese oberfränkische Region kaum jemand? Und warum wird Wunsiedel immer mit dem Gedenkmarsch in Verbindung gebracht? Zu schade, denn: Das Fichtelgebirge kann so viel mehr! Es ist bewundernswert und beeindruckend in so vielen Facetten. Vor allem im Winter! Wintersport im Süden? Pah! Schnappt eure Liebsten und ab nach Norden – und zwar pronto! Wir hier haben das Privileg, dass das Fichtelgebirge quasi vor unserer Haustüre liegt und die ziemlich oberflächlichen Assoziationen „Fichtelgebirge = langweilig“ oder „Fichtelgebirge = altbacken“ sicher nicht zutreffen. Ganz im Gegenteil: Fichtelgebirge rockt! Ja, es leben dort überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Auch die zahlreichen leerstehenden Gebäude verstärken den Eindruck einer aussterbenden Region – zu Unrecht, denn alles hier ist voller Gegensätze. Menschenleer und artenreich. Hässlich und märchenhaft. Ganz und gar liebenswert. Und wer dem Fichtelgebirge eine Chance gibt, wird ihm verfallen. Nicht nur weil hier das fränkische Erotikbier seinen Ursprung hat, sondern weil es hier einfach wahnsinnig schöne Berge, schnieke Kneipen gibt und die Region bislang alles andere als überlaufen ist.

Mekka für Wintersport

Skifahren, Langlaufen, Rodeln, Wandern oder Radeln – das Fichtelgebirge ist das Mekka aller(wintersport-)aktiven Familien. Ein Muss und klares Highlight ist die Kösseine, ein Bergmassiv mit gleichnamigem Gipfel. Hier befindet sich nämlich eine Top-Secret-Rodelbahn, von der nur wenige Auswärtige wissen, die für uns Einheimische aber fester Bestandteil im jährlichen Winterprogramm ist. Vor allem als Kind ist der Anstieg natürlich eine Katastrophe, aber als Belohnung folgt der maximale Schlittenspaß. Rund drei Kilometer verläuft der Wanderweg vom Luisenburg-Parkplatz oder von dem kleinen Ort Schurbach in Walderhof aus hinauf zum Kösseineturm. Hier wird die Stille der Natur nur durch das Knirschen des Schnees unter den Sohlen unterbrochen. Die wunderschöne Winterzauberlandschaft mit glasklaren kleinen Bächen umrahmt von Eiszapfen macht es einem leicht, den Rest der Welt hinter sich zu lassen. Am Ende des Berges angekommen, wartet die erste Belohnung: der alte Kösseineturm aus Granit, der bei klaren Tagen eine fantastische Rundumsicht über das gesamte Fichtelgebirge ermöglicht.

Wintergastronomie

Gleich daneben steht das urige Kösseinehaus. Neben der fränkischen Küche besonders begehrt: die Currywurst mit hausgemachter Soße und die frischen, handgemachten Käsespätzle. Noch dazu gibt es das für mich leckerste Bier von den beiden heimischen Brauereien aus Schönbrunn und Wunsiedel. Essen, Trinken, Kachelofen – wer sich nicht mehr von der Hütte trennen kann, der bleibt einfach über Nacht. Für alle anderen geht das Rodelabenteuer nach gestilltem Bierdurst und vollem Magen dann los. Aber bitte Eile mit Weile, und vor allem abends mit Licht!

„Kennst du die Berge in Deutschlands Herz, gelagert rings im Kreise, mit grünen Wäldern so reich bedeckt? […] Es ist mein liebes Heimatland! ‚Fichtelgebirg’ sind sie genannt.“
(Heimatlied der Fichtelgebirgler)

Und noch viel mehr ...

In meine Heimat neu verliebe ich mich jedes Mal, wenn ich verträumt durch die Wälder schlendere, das Felsenlabyrinth besuche oder vor dem Eingang der Luisenburg stehe. Das älteste Freilichttheater Deutschlands, weltbekannt für seine Festspiele, ist als Naturbühne so einmalig wie einmalig schön: Zwischen moosbewachsenen, bis zu 30 Meter aufragenden Granitblöcken gibt es dort Theateraufführungen, die mit Sicherheit bei keinem Besucher in Vergessenheit geraten. Für mich ist dieser Ort definitiv einer der schönsten der Welt. Apropos Felsenlabyrinth! Wer das bei einem Besuch im Fichtelgebirge nicht durchkreuzt, ist, wie der Franke sagt: „Fei gscheid bled!“, handelt es sich hierbei doch um das größte Granitsteinmeer Europas. Der markierte Weg windet sich durch Schluchten, Höhlen und Felsspalten – ohne kraxeln und ducken kommt man hier nicht weit. Eine zauberhafte und mystische Stimmung, der ich auch beim 1001. Mal wieder neu verfalle. Im Winter ist der Besuch leider nicht möglich, da die Gefahr abzurutschen zu groß ist. Das ist nicht weiter schlimm: Ein Muss-Abenteuer wie geschaffen für einen Zweitausflug im Frühjahr!

Genussregion Oberfranken

Du sagst „Jetzt reicht’s aber mit Natur?“. Ich sage: Das Fichtelgebirge hält als Teil der Genussregion Oberfranken gleich drei (!) Weltrekorde. In Oberfranken gibt es, gemessen an der Einwohnerzahl, die meisten Bäckereien und Konditoreien, die meisten Metzgereien und die meisten Brauereien auf der ganzen Welt. Das „Bräustüberl“ in Schönbrunn ist definitiv einer meiner Lieblingsplätze für warme Tage: Ein liebevoll und kreativ bewirteter Biergarten mit frisch gezapftem Fassbier und ausgezeichnetem Essen. Aber Obacht: Wenn man abtaucht in die urig-hippe Atmosphäre, kann es passieren, dass man die beim Sandkasten schaukelnden Kinder beinahe vergisst – und einem dafür die Haushühner einen Besuch abstatten. Für alle Bierliebhaber habe ich noch einen Tipp: Die etwas andere Brauereiführung der Traditionsbrauerei „Lang-Bräu“ in Schönbrunn. Warum anders? Am besten selbst herausfinden. So viel sei gesagt: Auf sehr humorvolle Art und Weise lüftet sich unter anderem das Geheimnis des eingangs erwähnten Erotikbieres. Lachen ist hier garantiert.

Fichtelgebirge? Saucool!

Wo mein Fichtelgebirge liegt, ist nun bekannt. Dass der braune Gedenkmarsch das einzig nicht Liebenswerte an meiner Heimat ist, ist nun hoffentlich auch klar. Was ich mir für die Zukunft wünsche? Dass ihr auf meine Herkunft bald nur noch so reagiert: „Fichtelgebirge? Saucool – ich war dort im Winter zum Wandern und das nächste Mal möchte ich unbedingt im Sommer hin. Kannst du mir was empfehlen?  

Text: Yasmin Pohl

Tipps:

Bräustüberl Schönbrunn

Kösseinehaus

Luisenburg-Parkplatz
Luisenburg
95632 Wunsiedel

Talstation Ochsenkopf Nord

Bleaml-Alm
Heinz-Brunner-Weg 2
95686 Fichtelberg

Klausenlift Mehlmeisel

Skischaukel Hempelsberg und Geiersberg

Skilift Kornberg
95100 Martinlamitzer Forst-Nord

Langlaufen im Fichtelgebirge

Felsenlabyrinth Luisenburg

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