Großeltern 2.0
Im Lauf der Zeit hat sich die Großeltern-Rolle immer wieder angepasst – und scheint auch jetzt mal wieder im Wandel zu sein. Die Oma von heute trägt keine Kittelschürze mehr, ist stattdessen jung geblieben. Hinzu kommt eine breite Palette an Großelternrollen – so vielfältig wie die moderne Familie selbst: von der Stiefgroßmutter bis zum Patchworkopa. ELMA hat sich mit Dr. Marie-Kristin Döbler unterhalten. Sie ist Soziologin an der Friedrich-Alexander-Universität und weiß: Großeltern, wie wir sie kennen, sind trotzdem etwas vergleichsweise Modernes.
Wie hat sich die Rolle der Großeltern denn im Laufe der Zeit verändert?
Solange mehrere Generationen zusammenlebten, waren Großeltern auf ganz andere Weise präsent und förderten ganz andere – nicht unbedingt immer positive, nicht zwangsläufig konfliktärmere – Beziehungen. Hinzu kommt, dass Kindheit, wie wir sie heute kennen, eine vergleichsweise neue Erfindung ist. Lange Zeit galten Kinder als Arbeitskräfte und wurden gar nicht so „begroßeltert“, wie man es sich vorstellt oder heute kennt.
Ist die Rolle von Oma und Opa gerade wieder dabei, sich zu verändern?
Ja, darauf gibt es Hinweise. Einerseits greifen die Großeltern vielfach ihren Kindern unter die Arme und betreuen die tendenziell geringere Anzahl an Enkeln, um die Lücken der Betreuung zu füllen. Und der Betreuungsbedarf steigt, je höher der Anteil erwerbstätiger Mütter ist. Andererseits verändern sich die Altersstrukturen, Altersbilder und Selbstverständnisse: Mit 60 oder 65 ist man heutzutage noch nicht alt. Viele Großeltern stehen noch im Berufsleben oder wollen, wenn sie in Rente gehen, nicht alles nur auf die Betreuung der Enkel ausrichten, sondern – gerade Frauen – nun endlich auch mal ihr Leben genießen. Es ist also auch ein neues Selbstbewusstsein da, um zu sagen: Ich mag meine Enkel, aber immer will ich sie nicht versorgen bzw. betreuen müssen. Hinzu kommen neue räumliche Entfernungen – allerdings bieten „moderne Medien“ hier gute Möglichkeiten für intergenerationalen Kontakt und Kommunikation.
Wie zeichnet sich die Beziehung zu den Enkelkindern aus?
Oft entspannter als zu den eigenen Kindern. Das liegt unter anderem daran, dass man eine andere oder sogar gar keine Verantwortung mehr hat, sondern sich auf das Schöne konzentrieren kann; die Enkel hat man nur temporär um sich, und wenn es schwierig wird, gibt man sie vielleicht auch gern an die Eltern zurück. Auch das Maß an Freizeit spielt – so scheint es mir – gerade für Großväter eine Rolle, die in der Regel in Vollzeit beschäftigt waren und mit recht unflexiblen Arbeitsmodellen wenig Zeit für die eigenen Kinder hatten, und das vielleicht auch noch nicht so auf dem Schirm hatten, da „früher“ diese Art der aktiven Vaterschaft nicht typisch war.
Wie können Oma und Opa zur emotionalen und sozialen Entwicklung ihrer Enkel beitragen?
Großeltern können einen Ausgleich zu den nicht selten gestressten Eltern oder einen zuverlässigen Anlaufpunkt darstellen, mit Rat und auch praktischer Hilfe zur Entwicklung der Enkel beitragen. Allerdings gilt es hier – das ist aber nicht neu, das war sicherlich schon immer so – eine Balance zu finden aus traditionellen Werten, den eigenen Weltanschauungen und den Sichtweisen der jüngeren Generation. Die können dann zu einer Herausforderung werden, wenn wir nicht mehr über Enkel sprechen, die noch mit Bausteinen spielen, sondern für Klimaschutz auf die Straße gehen oder sich für Gleichberechtigung engagieren.
Wenn es zu Konflikten zwischen den Generationen kommt – wie lassen sich diese am besten lösen? Und inwieweit sind sie normal?
Dass Konflikte zwischen den Generationen auftreten, ist sicherlich nicht zu vermeiden. Das kann an unterschiedlichen Erfahrungen, Einstellungen und Weltsichten liegen. Wichtig ist neben wertschätzender Kommunikation die Offenheit beider Seiten, etwa für neue Entwicklungen, Veränderung und Differenz, sowie die Anerkennung der Kinder als nun Erwachsene und selbst Eltern gewordene Personen, die nicht mehr bevormundet werden sollten. Aber auch Verständnis für das Festhalten an Althergebrachtem.
Drei Tage bei der Oma, drei Wochen Erziehung im Eimer – ist das so?
Oftmals gelten einfach andere Regeln, die Kinder werden etwa nach Strich und Faden verwöhnt – aber die können da schon je nach Alter ganz gut differenzieren. Die Frage ist auch: Wie oft finden diese drei Tage statt? Aber ich gehe davon aus, dass es nicht schadet – auch wenn die Eltern das vielleicht ein bisschen anders sehen.
Interview: Simone Blaß