Hast Du Töne!

Der Kinderopernchor am Staatstheater Nürnberg
Staatstheater Nürnberg Kinderopernchor

Mittwochnachmittag, ein abgedunkelter Probenraum im Staatstheater Nürnberg. Rund 50 Kinder stehen im Chor vor einer hölzernen Bühne und singen Lieder. Eines hat die Melodie von Mozarts Kleiner Nachtmusik. Ein Vers aus einem anderen Lied heißt: „Spielt man ’nen falschen Ton, gucken alle böse.“  Chorleiter Philipp Roosz steht am Flügel. Er ist leger gekleidet – Sweatshirt, Stoffhose. Die Noten hat er vor sich, drückt mit einer Hand die Tasten, die andere dirigiert, leitet die Sängerinnen und Sänger an: „Kommt schneller aufs ,ö‘!“ sagt er, singt vor, was er meint. Die Kinder machen es ein paarmal nach, schon sitzt die Stelle. Den falschen Ton singen sie natürlich – der gehört dazu. Philipp Roosz guckt aber gar nicht böse, im Gegenteil: Er freut sich, dass alles so gut klappt.

Die Kinder stehen aufrecht und entspannt, die Größeren hinten, die Kleinen vorn. Konzentriert sind sie. Ihr Ton ist klar, der Text deutlich. Mal singen nur ein paar Kinder, dann wieder alle gemeinsam. Lauter, leiser – genau so, wie es der Chorleiter vorgibt. Ziemlich professionell ist das alles. Kein Wunder: Das hier ist der Kinderopernchor des Staatstheaters Nürnberg. Er ist fester Bestandteil so manchen Bühnenstücks. In der Oper „Hänsel und Gretel“ zum Beispiel gehören Kinder auf die Bühne. Genau wie in „Carmen“. Sie müssen dabei nicht nur singen, sondern auchrichtige Szenen spielen und eine Choreografie einstudieren.

Deswegen gibt es den Kinderopernchor und seine Mitglieder. Rafael ist erst sechs Jahre alt. Er singt für sein Leben gern. Genau wie der neunjährige Johann, die fünfzehnjährige Sophia oder Aliénor, auch neun Jahre alt. Heute proben sie für ein Kinderkonzert. Es heißt „Der falsche Ton“ und erzählt die Geschichte von einem Ton, der sich überall fehlplatziert fühlt. Ausgedacht hat sich das Jörg Hilbert, der Erfinder von „Ritter Rost“. Auf der Bühne werden die Kinder zusammen mit den Orchestermusikern der Staatsphilharmonie Nürnberg auftreten. „Wer von euch war denn schon einmal in einem Kinderkonzert?“ fragt Philipp Roosz in die Runde. Ein paar Kinder melden sich. Dann erklärt der Chorleiter, wie das Konzert abläuft. „Ihr werdet mit dem Orchester in einen Dialog treten“, sagt er. „Was ist ein Dialog?“ fragt ein Mädchen prompt. Der Pädagoge erklärt’s. Das Mädchen ist zufrieden.

Philipp Roosz ist Musiktheater- und Konzertpädagoge und hat ursprünglich Lehramt für Musik und Deutsch und außerdem Gesang studiert. Seine Arbeit liebt er, Kindern und Jugendlichen die Welt des Theaters und der Musik nahezubringen, ist seine Leidenschaft. Das merkt man. Hier wirkt nichts gezwungen oder wie eine Pflichtübung, sondern es geht sehr menschlich zu. Jedes einzelne Kind kennt er beim Namen. Während er stehend, singend, dirigierend Lieder einstudiert, holt seine Kollegin Sabrina Wierschin nacheinander kleine Kindergrüppchen ab. Sie geleitet sie geduldig treppauf, treppab durch die verwirrenden Flure zur Stimmbildung und wieder zurück. Denn individueller Unterricht für die Stimme gehört auch dazu. 

Dann kommt Bewegung in die Probe: „Wir laufen jetzt alle mal durch den Raum“, sagt Roosz. Schließlich ist dies ein Chor, der singt UND spielt. Mit weit ausgebreiteten Armen gehen die Kinder kreuz und quer umher. Groß aufgerichtet sollen sie sein. Das schafft Platz im Brustraum für schöne Töne. Dannsollen sie böse gucken (für den Dialog mit dem Orchester).Dazu singen und sprechen sie betont „Oho!“und ganz verschiedene Töne. Zusammenstöße beim Herumlaufen gibt es kaum. Wenn doch, sorgt das fürLacher.

Wie kommt ein Kind zum Opernchor? „Meine Familieist sehr musikalisch“, erzählt Johann. Seine Eltern habenihm den Chor schmackhaft gemacht. Aliénor isteines hier besonders wichtig: „Schauspielern ist das Schönste“, findet sie und lächelt. Das Mädchen durfte im „Rosenkavalier“ im Frack auf der Bühne stehen. „Das war toll.“ Die fünfzehnjährige Sophia gerät richtig ins Schwärmen: „Hier darf ich richtig laut singen, das macht Spaß, das ist meine Begeisterung.“ Sie ist eine der Erfahrenen und eine Stütze. Musikalisch natürlich, und nebenbei hat die Gymnasiastin auch mal ein Auge auf die Kleinen. 

Was muss man tun, wenn man dazugehören möchte? „Eine E-Mail an uns schreiben“, sagt der Chorleiter und lacht. „Wir machen demnächst wieder einen Vorsingtermin.“ Willkommen ist, wer gern singt und szenisch spielt, und es stört nicht, wenn Kinder nur bei einzelnen Projekten mitsingen. Roosz freut sich aber natürlich auch über „treue Seelen“, die lange dabeibleiben. Wichtig für ihn ist Leidenschaft, nicht Leistungsdruck. Denn: „Ein Chor, den ich mit Druck leite, klingt nicht.“

Infos: 
Zum Schuljahresanfang gibt es Kennenlern-Termine. Bei Interesse einfach schreiben an kinderopernchor@staatstheater-nuernberg.de 

In der Regel probt der Kinderopernchor einmal wöchentlich, je nach Premierentermin aber auch häufiger oder gar nicht. Flexibilität ist notwendig – so ist das am Theater. Das in der Region einzigartige Angebot ist kostenlos, und während der Aufführungen bekommen die hungrigen Kinderbäuche immer ein warmes Essen. Ein Opernabend ist schließlich lang.

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