Zauber hinter kleinen Türen
In einer Welt, die immer mehr von Technologie geprägt ist, wächst gleichzeitig eine Sehnsucht nach dem Wunderbaren und Fantastischen. Das zeigt sich unter anderem in einem Weihnachtstrend, der über Instagram, Pinterest und Co. aus Skandinavien zu uns geschwappt ist: die Elfen- und Wichteltüren.
Wichtel, Elfen - Magische Wesen
Seit Jahrtausenden erzählen sich Menschen in Legenden, Sagen und Märchen von Elfen, Trollen, Feen wie Tinkerbell, Kobolden wie dem Pumuckl oder Mucklas wie bei Pettersson und Findus. Magische Wesen zwischen Gut und Böse faszinieren uns, entführen uns in eine andere Welt, in der alles möglich scheint, und das Schönste daran: Sie regen die Phantasie an. Elfen etwa können sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise zeigen. Als kleine, zarte, fliegende Geschöpfe genauso wie als großgewachsene Wesen, die in den Wäldern hausen und geheimnisvolle Kräfte besitzen – Naturgeister, die in Harmonie mit der Umwelt leben. Der Glaube an das „Huldufólk“, das verborgene Volk, ist etwa in Island tief in der Kultur verwachsen. Dieses Volk besteht aus vielen verschiedenen Naturwesen, die sich nicht jedem zeigen. Sie wohnen in Steinen und Hügeln, an manchen Stellen hat man ihnen sogar kleine Siedlungen zur Verfügung gestellt, und wenn Bauprojekte wie etwa Straßen geplant sind, dann wird penibel darauf geachtet, dass man keine Elfenwohnung zerstört. Da kann es dann schon mal sein, dass eine Straße kurzfristig einspurig wird.
Der Trend: die Wichtel und Feentüren
Fabelwesen sind seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil der nordischen Mythologie und Volkskultur. Zum einen wegen der teils unberührten Natur, die die Phantasie anregt, zum anderen aber auch, weil sich die langen dunklen Abende wunderbar eignen, um sich die Geschichten, von denen viele heidnischen Ursprungs sind, in aller Ausführlichkeit weiterzuerzählen. Kein Wunder also, dass es in unserer vernetzten Welt nicht lange gedauert hat, bis ein alter skandinavischer Vorweihnachtsbrauch seinen Weg zu uns gefunden hat: die Wichtel- und Feentüren. Sie tauchen meist zum ersten Dezember wie von Zauberhand irgendwo im Haus auf und zeigen an, dass jetzt hier ein Fabelwesen wohnt. Das zum einen schützend aufs Haus aufpasst, böse Träume wegschickt und bei den Vorbereitungen zum Fest hilft, zum anderen aber auch nachts eine Menge Unfug
treibt.
Sehen lässt sich das Wesen nicht, denn das würde bedeuten, dass es seine Zauberkraft verliert und nie wiederkommen kann. Aber: Klitzekleine Fußspuren, Kekskrümel, mit Karotten vertauschte Kerzen auf dem Adventskranz, bunt eingefärbte Milch oder Nachrichten auf winzigen Zetteln sorgen für morgendliche Begeisterung und verkürzen die lange Wartezeit auf den Heiligen Abend mit einem Hauch von Magie und
viel Humor.
Dem Hype entspannt begegenen
Allerdings bietet dieser Brauch ein paar Überengagierten auch die Gelegenheit, sich zu profilieren, was wiederum bei anderen zu einem schlechten Gewissen führt. Ähnlich den Pausenbrottrends mit geschnitzten Gemüsesticks auf Rucolabett mit Frischkäseherzen kann man auch den Wichteltrend bis ins letzte Detail ausleben. Kann man, muss man aber nicht. Der Druck, gerade in der Adventszeit, sollte nicht überhandnehmen, und es sind sowieso oft die einfachen Ideen, die bei Kindern besonders gut ankommen. Der Trend um die Wichteltüren soll Spaß machen und die Vorweihnachtszeit bereichern – doch das Wesentliche ist die gemeinsame Zeit und die Freude, die das Fabelwesen in die Familie bringt. Da kann der Wichtel auch mal zum Beispiel einfach ein paar Tage erkältet sein und nur seine alten Taschentuchfetzen vor seine Tür schmeißen, die Wichtelbriefe muss man sich nicht ausdenken, da finden sich Vorlagen im Internet, und an manchen Tagen genügt es schon, etwas zu verstecken, was der kleine Kerl verloren hat, und die Kinder danach suchen zu lassen. Denn in Erinnerung bleiben nicht die aufwendigsten DIY-Projekte, sondern die kleinen magischen Momente.
Text: Simone Blaß