Auklärung ist ein Prozess

Wann ist es Zeit für das Gespräch über die Bienen und die Blumen?

Es ist nicht ganz einfach, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen zwischen kindlicher natürlicher Neugier und dem Moment, in dem die Tatsache, dass das Wort „Sex“ von einem Elternteil überhaupt nur in den Mund genommen wird, schon megapeinlich ist. Geschweige denn, dass es wirklich möglich ist, dass die eigenen Eltern …

Früh genug beginnen.

Umso wichtiger ist es, früh genug und immer alters- und kindgerecht mit der Aufklärung zu beginnen. Der richtige Zeitpunkt dafür ist genau dann, wenn die ersten Fragen auftauchen. Beantwortet werden sollte dabei immer nur das, was auch gefragt wurde. Keine Sorge, die nächsten Fragen kommen zeitnah, sobald die letzten Antworten „verdaut“ sind. Ein Kind so aufzuklären, dass es Schritt für Schritt ein ganz natürliches und verantwortungsvolles Verhältnis zum eigenen Körper, seinen Bedürfnissen und später auch zu den Bedürfnissen anderer erhält, ist heute – gerade im Kampf gegen die Bilder- und Videoflut – eine ziemlich wichtige elterliche Aufgabe.

Bis zu drei Jahren:

In diesem Alter tauchen die ersten Fragen auf. Es ist sinnvoll, sie ernst zu nehmen und möglichst gleich zu beantworten – und zwar mit einem einfachen Wortschatz. Je natürlicher die Eltern mit dem Thema umgehen, umso besser für die kindliche Entwicklung. Das bedeutet allerdings nicht, dass man mitten im Supermarkt erklären muss, was da jetzt genau passiert ist bei der Zeugung des kleinen Geschwisters. Darauf hoffen, dass ihr um dieses Gespräch herumkommt, solltet ihr aber auch nicht. Am besten ist es, sich gleich nach dem Einkauf die Zeit zu nehmen, um dem Kind zum einen seine Frage zu beantworten und zum anderen zu erklären, dass es jederzeit fragen darf, wenn es alleine mit euch ist.

Drei bis sechs Jahre:

Im Kindergartenalter wächst die natürliche Neugier, was sich jetzt unter anderem auch in Doktorspielen zeigt, die sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes dem „Begreifen“ dienen und im Normalfall keinen Anlass zur Sorge bieten. Ein guter Einstieg, um mit Kindergartenkindern über Sexualität zu sprechen, ist die eigene Herkunft. Kinder in diesem Alter lieben es, etwas darüber zu erfahren, wie es war, als sie selbst in Mamas Bauch gewesen sind, wie sie dahin gekommen sind und vielleicht sogar auch, dass die Liebe der Eltern die Basis für ihr Entstehen war.

Sechs bis zehn Jahre:

Aufklärung sollte ein kontinuierlicher Prozess sein – die Zeiten des einmaligen, peinlich verschämten Gespräches sind nun wirklich vorbei. Spätestens, wenn ein Kind in die Schule kommt, sollte es wissen, wie Babys entstehen. Wenn es jetzt noch mit der Geschichte vom Storch kommt, wird es nämlich schnell zum Gespött der Klasse. Zum Ende der Grundschule wird es auch Zeit, das Kind auf die bevorstehende Pubertät vorzubereiten. Denn erste Veränderungen, ob körperlich oder auf Gefühlsebene, beginnen bereits in diesem Alter. Mit kaum wahrnehmbaren Kleinigkeiten wie einem Brustspannen, dem einen oder anderen Haar oder – etwas offensichtlicher – mit der Tatsache, dass jeden zweiten Tag duschen von einem auf den anderen Tag nicht mehr reicht.  

Elf Jahre aufwärts:

Die Eltern zu fragen wird immer schwieriger, der Einfluss der Medien immer größer. Umso wichtiger ist es, die angehenden Jugendlichen davor zu warnen, dass immer wieder Videos mit teilweise ziemlich verstörendem Inhalt auf WhatsApp und Co. auftauchen. Auch dann, wenn man nicht gezielt danach sucht. Ein guter Gesprächsauftakt ist oft das Erzählen aus der eigenen Jugend und zum Beispiel das offene Reden über sexuelle Identitäten oder unsinnige Verbote, die zu Ängsten und Schamgefühl führen können. Viele Eltern legen ihrem Nachwuchs entsprechende Lektüre ins Zimmer oder hoffen darauf, dass alle heiklen Fragen bei der J-Untersuchung geklärt werden – wobei das mit Sicherheit ein Trugschluss ist. Natürlich ist es das Beste, einen verantwortungs- und rücksichtsvollen sowie zärtlichen Umgang mit dem Partner vorzuleben. Allein schon angesichts von rund 2,2 Millionen alleinerziehenden Müttern und immerhin 407.000 alleinerziehenden Vätern in Deutschland ist das aber nicht immer möglich.

Ganz wichtig ist in diesem Alter, Prahlerei und Fiktion von der Realität unterscheiden zu lernen und seriöse Quellen zu nutzen. Und als Eltern nicht vergessen: Anklopfen, bevor man das „Kinder“-Zimmer betritt – denn ein Teenager mit einem gesunden Verhältnis zu seinem Körper wird diesen irgendwann erkunden. Und das ist auch gut so, denn so lernt man, was man mag und was nicht.

Text Simone Blaß

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