Vergiftungen bei Kindern

Die Gefahr lauert oft zu Hause
Vergiftungen bei Kindern

Kinder erkunden ihre Umwelt mit allen Sinnen, und genau diese natürliche Neugier kann ihnen gefährlich werden. Jährlich werden in Deutschland rund 100.000 Vergiftungsfälle bei Kindern gemeldet, die meisten davon betreffen Kleinkinder im Alter von ein bis fünf Jahren. Was im Fall der Fälle zu tun ist, weiß man im Klinikum Nürnberg.

Wo droht Vergiftungs-Gefahr im Haushalt?

Bei Vergiftungen denkt man zunächst an Haushaltsreiniger, bunte Waschmittel-Pods oder Liquids. Doch auch scheinbar Harmloses kann zur Gefahr werden – Zimmer- und Gartenpflanzen, Kosmetikartikel oder frei verkäufliche Medikamente, die man in der Handtasche mit sich herumträgt oder irgendwo liegen lässt. Statistiken zeigen, dass etwa 60 Prozent der medikamentösen Vergiftungen bei Kindern auf Schmerzmittel und Erkältungspräparate zurückzuführen sind. 

„Kleinkinder sind neugierig und haben noch kein ausgeprägtes Risikobewusstsein, daher kommt es relativ häufig zu Vergiftungen und Verätzungen mit nicht sicher verwahrten Substanzen“, erklärt Dr. Jasper Zimmermann, Oberarzt der pädiatrischen Notaufnahme des Klinikums Nürnberg. Mit zunehmendem Alter treten neue Gefahren auf, etwa Knopfzellenbatterien, giftige Pilze oder Beeren und später auch Alkohol oder Drogen. In diesem Kontext warnt der Kinder- und Jugendarzt ausdrücklich vor potenziell lebensgefährlichen Experimenten wie der sogenannten „Paracetamol Challenge“, die auf TikTok kursiert. Eine Gefahr, die von den Jugendlichen unterschätzt wird und die zu irreparablen Leberschäden führen kann.

Das sind Symptome von Vergiftungen bei Kindern

Vergiftungen äußern sich je nach Substanz auf unterschiedliche Weise. Häufige Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Schwindel oder Bewusstseinsstörungen. In schweren Fällen können Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle oder Atemstillstände auftreten. Auch Verhaltensänderungen wie starke Unruhe, Apathie oder übermäßige Schläfrigkeit können auf eine Vergiftung hinweisen. „Bei Verschlucken von ätzenden Substanzen oder Fremdkörpern fallen die Kinder häufig auch durch ausgeprägtes Speicheln und Schluckprobleme auf.“ In einigen Fällen – zum Beispiel bei Betablockern oder Digitalispräparaten – treten die Symptome erst mit Verzögerung auf. 

schnelle Hilfe

Befürchten Eltern, dass ihr Kind gefährliche Substanzen aufgenommen haben könnte, oder haben sie dies sogar beobachtet, dann sollte der Giftnotruf zurate gezogen werden. Hier erhält man kostenlos kompetente Beratung, auch bezüglich eventuell durchzuführender Sofortmaßnahmen oder der Notwendigkeit, einen Notarzt zu alarmieren. „Bei jeglicher Art von bedrohlichen Symptomen wie Bewusstseinstrübung, Atemaussetzern oder Krampfanfällen sollte aber umgehend der Rettungsdienst unter 112 verständigt werden“, so Dr. Jasper Zimmermann. „Und zwar unabhängig davon, ob eine Vergiftung vermutet wird.“ 

Die Behandlung in der Klinik hängt von der Art des aufgenommenen Giftes ab. Ist es noch nicht lange her, kann in manchen Fällen eine Behandlung mit Aktivkohle sinnvoll sein. „Für manche Substanzen gibt es Gegenmittel, bei anderen Giften ist nur eine Behandlung der Symptome möglich“, erklärt der Mediziner. „Verschluckte Fremdkörper müssen gegebenenfalls mittels Magenspiegelung in Narkose entfernt werden. In den meisten Fällen genügt jedoch eine Überwachung in der Klinik, deren Dauer abhängig von der Wirkdauer des Giftes ist.“

Prävention gegen Vergiftungen

Die beste Maßnahme gegen Vergiftungen ist die Prävention. „Medikamente, Reinigungsmittel und andere potenziell gefährliche Substanzen müssen zwingend außerhalb der Reichweite von Kindern, das heißt in abschließbaren und kindersicheren Schränken, aufbewahrt werden. Hierbei sollte auch beachtet werden, dass sich die Reichweite von Kindern mit zunehmendem Alter schneller entwickelt als das Gefahrenbewusstsein.“ Zusätzlich sollten Kinder frühzeitig aufgeklärt werden: Bereits im Kleinkindalter kann durch einfache, altersgerechte Erklärungen vermittelt werden, dass nicht alles, was bunt aussieht oder gut riecht, auch wirklich essbar ist.

Erste Hilfe Bei Giftunfällen: 
Was tun – und was vermeiden?

- Ruhe bewahren und das Kind beruhigen!

- Beweismittel wie verdächtige Pflanzenteile, Medikamentenpackungen oder Reinigungsmittelbehältnisse aufbewahren und in die Klinik mitnehmen.

- Kein Erbrechen auslösen! Besonders bei ätzenden Substanzen kann das die Schleimhäute noch stärker schädigen.

- Keine Milch geben! Entgegen früheren Empfehlungen kann Milch bei bestimmten Substanzen die Giftaufnahme sogar verstärken. 

- Nur nach Anweisung durch den Giftnotruf beziehungsweise die Rettungsleitstelle:
Schluckweise Wasser geben, wenn das Kind bei Bewusstsein ist – dies kann helfen, das Gift zu verdünnen.

- Bei Verschlucken von Knopfzellen kann Honig helfen (ab dem Kleinkindalter: zwei Teelöffel alle zehn Minuten für maximal eine Stunde), um die Schleimhaut vor Schäden zu schützen.

Text: Simone Blaß

Informationen für die schnelle Hilfe bei Vergiftungsfällen bei Kindern:
Notruf: 112
Giftnotruf Bayern: 089-19240 (rund um die Uhr) 
Notaufnahme für Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg

 

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