BAföG

"Gerecht ist das nicht!"
Studenten Bafög

Text: Simone Blaß, ELMA #13 Dezember 2021

Bundesausbildungsförderungsgesetz – was so hochtrabend klingt, ist nichts anderes als ein Kredit des Staates für junge Leute, deren Familien es sich nicht leisten können, ihnen die angemessene Ausbildung zukommen zu lassen. Das BAföG wird in diesem Jahr 50. Und wie so viele Fünfzigjährige scheint es in der Midlife-Crisis zu stecken.

BAföG im "gesamtstaatlichen Interesse"

Wenn eine Bundesbildungsministerin einer Förderung des Staates zum Geburtstag gratuliert, klingt das so:  „Wenn wir das BAföG nicht hätten, müssten wir es erfinden.“ Aha. Aber dass der Staat nicht aus reiner Nächstenliebe Kredite vergibt, das wird schon auch bei Frau Karliczek deutlich: „Nicht nur für das persönliche Lebensglück ist es wichtig, die eigenen Talente zu entfalten. Dies liegt auch im gesamtstaatlichen Interesse des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland.“ BAföG ist nämlich keine Wundertüte des Staates, sondern lediglich eine Investition in die Zukunft. Oder besser gesagt: ein fast immer zinsloses Darlehen mit Zuschuss. Geld also, das man nicht komplett geschenkt bekommt, sondern das man zumindest zur Hälfte zurückzahlen muss.

Wer erhält BAföG?

Eltern sind unterhaltspflichtig und müssen ihrem Kind eine Ausbildung ermöglichen. Möchte sicher jeder, kann aber nicht jeder. Und dann springt der Staat ein – mit bis zu 861 Euro pro Monat. BAföG verbindet man automatisch mit Studenten – aber auch Schüler ab der 10. Klasse, Besucher von Abendgymnasien, Azubis oder Praktikanten können gefördert werden. Da könnte man ja jetzt glauben, dass jeder, der etwas lernen möchte und sich dafür ja auch bereits mit seinen Leistungen im System qualifiziert hat, dieses Darlehen auch erhält. Aber weit gefehlt. Zuerst muss mal ein BAföG-Anspruch bestehen, bevor jemand einen BAföG-Antrag beim BAföG-Amt stellen kann. Und der hat nicht nur eine Seite, sondern acht. Weitere Seiten können, zum Beispiel bei der Beantragung von Auslands-BAföG, hinzukommen. „Damit kann man Stunden verbringen“, stöhnt die 22-jährige Lia, „und zwar jedes Mal aufs Neue.“

Denn der Bewilligungszeitraum ist gerade mal zwölf Monate, danach geht das Spiel wieder von vorne los. Es kommen gefühlte Unmengen an Faktoren zum Tragen, wie die Studien- bzw. Ausbildungssituation, das Einkommen der Eltern abhängig von deren Lebenssituation, das eigene Einkommen, Geschwister, die sich noch in der Ausbildung befinden, eigene Kinder, Wohnsituation, und das ist noch lang nicht alles. Es gibt Freibeträge, bei deren Überschreitung das BAföG gekürzt werden kann. Und all das muss immer und immer wieder nachgewiesen werden. „Ein echtes Problem, wenn man zum Beispiel zu seinem Vater keinen Kontakt mehr hat, so wie ich. Wie soll ich denn dann an die ganzen Zahlen kommen? Und selbst, wenn er etwas zahlen müsste, er tut es nicht. Und wer hilft mir dann, die gleichen Chancen zu haben wie andere aus einem ‚intakten‘ Elternhaus?“ Lia möchte einmal Ärztin werden, und es nervt sie ziemlich, dass sie bestraft wird für eine Situation, für die sie nichts kann. „Es hat nun mal nicht jeder eine ‚heile‘ Familie!“

Es kann kompliziert werden.

Und selbst wenn, kann es auch kompliziert werden. Die Eltern des zwanzigjährigen angehenden Chemieingenieurs Alexander sind beide selbstständig. „Und da ist es wie bei allen Selbstständigen, die Einnahmen schwanken.“ Was im einen Jahr kein Problem ist, kann es im nächsten durchaus werden. Unterm Strich allerdings ist es zu viel, sein Anspruch auf BAföG läge bei der Wahnsinnssumme von zwanzig Euro. „Ich frag’ mich echt, warum Kindergeld einkommensunabhängig bezahlt wird, ich als erwachsener Mensch aber nicht selbst entscheiden darf, ob ich ein Darlehen des Staates für meine Ausbildung wirklich brauche oder nicht. Es kann doch nicht sein, dass man ein Studium eventuell sogar abbrechen muss, weil das Geld nicht langt oder man Arbeiten und Studium einfach nicht mehr schafft. Und andere, deren Eltern genug Kohle oder gleich viel zu wenig Kohle haben, die bekommen Hilfe und können sich in Ruhe auf ihr Studium konzentrieren.“ Das Statistische Bundesamt hat mal das Jahr 1991 mit dem Jahr 2019 verglichen, und hier sieht man, dass der Anteil der Studierenden, die selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, von 11 Prozent auf 33 Prozent gestiegen ist. Was das bei immer enger gefassten Studienzeiten für die betroffenen Studenten bedeutet, kann man sich auch ohne Studium an fünf Fingern abzählen.  

Die Berechnung

Die BAföG-Berechnung ist extrem komplex, oder wie es das Bildungsministerium so schön ausdrückt: „Ein bisschen Aufwand ist es schon, wenn man einen BAföG-Antrag stellt.“ Es ist wie so oft im Paragrafendschungel unseres Landes: Was durch gefühlt hunderttausend Einzelbetrachtungen und Ausnahmen ganz besonders gerecht sein soll, ist es in dem einen oder anderen Fall eben ganz und gar nicht. Zwar wurde versucht, mit der BAföG-Reform 2019 die Unterstützung den gesellschaftlichen Entwicklungen – zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt – anzupassen und durch höhere Freibeträge mehr Familien mit einzubeziehen, aber die Beantragung hat immer noch was vom Schlaraffenland – da muss man auch erst durch einen Berg Grießbrei durch, um ans Ziel zu kommen. Auf gut Deutsch: Nur wer sich durchbeißt, dranbleibt, bei der Antragstellung nicht kapituliert, erhält auch die Förderung. Vielleicht. Nur 11 Prozent der Studierenden, rund 639.000 Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland, haben dieses Ziel 2020 erreicht und durchschnittlich 556 Euro erhalten. Anspruch hätten aber ziemlich sicher deutlich mehr. Die Grünen, die FDP oder auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisieren, dass Probleme rund ums BAföG von der letzten Regierung ausgesessen wurden. Trotz mehrerer Parlamentsinitiativen. Bleibt zu hoffen, dass sich zeitnah etwas ändert und das, was Gerechtigkeit schaffen soll, auch wirklich gerecht wird. 

Voraussetzungen, um BAföG zu beantragen:

- Die Ausbildung muss „förderungsfähig“ sein.
- Bestimmte Förderungsvoraussetzungen wie das Alter müssen erfüllt sein.
- Die Ausbildungskosten können nicht durch eigenes Vermögen, Einkommen oder das Einkommen der Angehörigen geleistet werden.
- Bei Ausländern kommen Kriterien wie Berufserfahrung und Aufenthaltsstatus dazu.

BAföG-Härtefall
Kommt ein Student unverschuldet in eine Notlage, zum Beispiel durch eine Krankheit, dann ist es möglich, einen BAföG-Härtefall-Antrag zu stellen. Das geht auch dann, wenn man bereits BAföG erhält. In seltenen Fällen ist es auch möglich, neben dem BAföG Hartz IV zu bekommen, um die Existenz zu sichern. Allerdings sind die Ämter bei der Beurteilung von Härtefällen besonders streng. Was man selbst als Härtefall empfindet, ist für das Amt oft noch lange keiner. Der Staat erwartet in diesem Fall, dass man erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpft.

FAQs zur BAföG-Rückzahlung:

Es gibt verschiedene Formen von BAföG – sind die Rückzahlungsbedingungen für alle gleich?
Nein, Schüler-BAföG ist die große Ausnahme. Als Vollzuschuss muss es grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden.

Muss ich alles auf einmal zurückzahlen?
Diese Möglichkeit gibt es, sie gewährt auch einen Rabatt, aber in der Regel wird die Ratenzahlung genutzt. Die Ratenhöhe steht im Bescheid. Gezahlt werden müssen maximal 77 Monatsraten.

Wie lange habe ich Zeit?
Der Staat gibt dir 5 Jahre Zeit, um beruflich Fuß zu fassen. Erst dann beginnt die Rückzahlung. Schafft man es nachweisbar nicht innerhalb von 20 Jahren, wird die Restschuld erlassen.

Werden die 5 Jahre ab dem Abschluss gerechnet?
Nein, ab dem Ende der Regelstudienzeit. Wer es da nicht schafft und keinen besonders triftigen Grund hat, muss zum einen zusätzliche, nicht mehr zinsfreie Darlehen beantragen. Und zum anderen schneller zurückzahlen.

Wie hoch ist die Summe, die ich zurückzahlen muss?
Die Hälfte des Darlehens bezuschusst der Staat, die andere Hälfte musst du wieder reinholen. Die Höchstgrenze liegt aber bei 10.000 Euro.

 

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finden sich unter www.bafög.de neben Beispielrechnungen und den Unterlagen zur Antragstellung auch Informationsbroschüren zum Download.
Nicht immer sehr übersichtlich, aber immerhin ein Wegweiser.

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